«Du hast uns ein grosses Erbe hinterlassen»
Mit diesen Abschiedsworten zum Tod ihres Zuchthengstes Chameur spricht die Züchterfamilie Otto Bertschi (Pferdezucht «du Moulin») in Orsonnens sehr vielen Züchterinnen und Züchtern, Besitzerinnen und Besitzern von Chameur-Nachkommen aus dem Herzen. Und viele Besucher der jährlichen nationalen Hengstschau und anderer Zucht-Grossanlässe werden den stolzen, edlen, schönen und immer selbstbewusst auftretenden Braunen vermissen.
«Wir haben Deinen Namen gross gemacht, und Du hast unsere Zucht gross gemacht. Wir sind stolz und dankbar, gemeinsam ein Stück des Weges gegangen zu sein», hält die Familie Bertschi weiter fest und erinnert daran, dass 1999 mit dem Holsteiner Chameur ein neues Kapitel auf ihrem Pferdezuchtbetrieb begonnen hatte: die Eröffnung einer Hengststation, auf der auch Beschäler wie Tanaël du Serein, Concerto du Semnoz, Le Grand Lord, Comet A.S. FL. CH und Lars FM zeitweise ihr Zuhause gefunden hatten.
Chameur, ein 1990 geborener Sohn von Capitol I, gezogen in Deutschland aus der Landgraf I-Tochter Atlanta III, war von Pferdehändler Hans-Rudolf Gloor importiert und 1993 an der Körung in Avenches und an der HLP I hoch erfolgreich vorgestellt worden. Seine Sportkarriere fand aufgrund einer Verletzung ein frühes Ende. Bereits als Vierjähriger wurde er in die Zucht genommen, 1999 dann im Zuchtbetrieb «du Moulin» stationiert und drei Jahre später von der Familie Bertschi übernommen. Seit seiner Ankunft in Orsonnens hat Chameur über 600 Stuten belegt. Er ist Vater von über 30 Prämienzuchtstuten. Die Liste seiner erfolgreichen Nachkommen ist derart lang, dass daraus nur einige herausragende Namen erwähnt werden können. Conchita II CH beispielsweise gewann mit Rudi Wallerbosch von 1999 bis 2007 über 73'000 Franken Preisgeld im Springsport. Excel CH erreichte über 65 Klassierungen auf höchstem Niveau. Fünf- und siebenjährig vertrat sie die Schweiz in Zangersheide. Chacomo V.M. CH erreichte Klassierungen auf Niveau S II. Percy Tow CH weist Klassierungen bis S I und GP im Ausland auf. Corado M CH, Chiara XVII CH, Argentina XVI CH, Coreto CH sind weitere klingende Namen. Im Dressursport bleibt insbesondere der 1997 geborene Chasseur IV CH mit Gilles Ngovan im Sattel in Erinnerung. Eine sehr gute Bilanz ist auch zu ziehen betreffend quantitativer und qualitativer Beteiligung von Chameur-Nachkommen an Fohlenschauen, -championaten und -auktionen sowie an Feldtests und Swiss Breed Classic. So erreichte beispielsweise mit Cordano CH ein Chameur-Fohlen den Spitzenpreis an einer LW-Auktion in Ruswil. Auch an der Schweizermeisterschaft der CH-Sportpferde klang und klingt der Name Chameur häufig und positiv auf. So nahmen beispielsweise im Jahr 2009 allein im Final Superpromotion S I nicht weniger als fünf Nachkommen dieses Hengstes teil. Und auch am letzten CHI Genf waren zwei der vier siebenjährigen Pferde in der CH-Prüfung mit Reiterwechsel sowie eines am SBC-Superfinal Nachkommen von Chameur.
Das sind nur ein paar Schlaglichter auf die Karriere von Chameur als Zuchthengst. In Erinnerung bleiben – nicht allein der Familie Bertschi – bewegende Erlebnisse mit dem Hengst wie beispielsweise die grosse Feier zu seinem 20. Geburtstag am 6. Juni 2010 anlässlich der Springkonkurrenz in Orsonnens, wo viele seiner Nachkommen einem begeisterten Publikum vorgestellt wurden, oder die Suisse Elite-Fohlen-Auktion am 11. September 2010 in Brunegg, als Chameur und Nachkommen die offizielle Ehrung der Familie als Züchter des Jahres 2009 derart eindrücklich gestalteten, dass das Publikum mit einer Standing Ovation dafür dankte. «Chameur war ein grosser Herr, edel, schön, stolz, ein Beschützer. Er war selbstsicher, kannte kein Zögern; man konnte ihm voll vertrauen», hält die Familie Bertschi fest. Er habe eine eiserne Gesundheit besessen und die Unterstützung des Tierarztes erst während der letzten 14 Tage seines Lebens durch eine Infektion im Krongelenk beansprucht. «Für uns war Chameur viel mehr als nur ein Hengst.»
Heinrich Schaufelberger
